Protektionismus - ein Widerspruch zum freien Welthandel?

 

Auf der ganzen Welt feiert man die Globalisierung und den Abbau von Zöllen und Handelsschranken. Widerworte in diesem Zusammenhang sind nicht erwünscht und werden auch kaum publiziert. Jeder aufkommende Zweifel am Nutzen des unregulierten Welthandels wurde bisher erfolgreich abgeblockt oder niedergetrampelt. „Protektionismus" (wirtschaftliche Abschirmung der Industrie eines Staates) wurde zum Schimpfwort, zum Inbegriff für Rückständigkeit und nationalen Egoismus.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals im Oktober 1999 im "SW-MAGAZIN" veröffentlicht. Die Zahlen sind also nicht mehr aktuell.
Über die Vorschläge konnte der Leser anschließend schriftlich per Post abstimmen (jedem Heft lag ein Stimmzettel bei). Die Ergebnisse der Abstimmung finden Sie am Ende des Textes.

 

Haben wir den freien Welthandel?
Darf man etwas kritisieren, was mit dem Zauberwort „frei" behaftet ist? Verkörpert dieser Begriff nicht ausnahmslos das Gute, das Edle, das Gegenteil von „unfrei"? Bei vielen Politikern und Ökonomen hat es tatsächlich oft den Anschein, ihr Denken sei gefangen in derlei Schemata. Doch selbst die freieste Gesellschaftsordnung benötigt einschränkende Regeln und Gesetze, um Chaos und Anarchie zu vermeiden. Und der internationale Sport wäre ohne einheitliche Regeln eine einzige Lachnummer.
Bloß beim „freien" Welthandel, da ist eben alles ganz anders. Da dürfen die einen treten, schlagen, schummeln und bestechen - während die anderen absolut fair kämpfen sollen. Diese Abart vom „freien" Welthandel ist die hauptsächliche Ursache für unser Beschäftigungsdefizit und das Lohndumping.

Richtig funktionsfähig wäre der freie Welthandel nur unter annähernd gleichen Bedingungen (angepaßte Löhne, Gesetze, Steuern usw.). Aber diese Grundlage ist nicht gegeben, und die meisten Staaten tricksen lieber als sich einem fairen Wettbewerb zu stellen. Interessiert ist man allenthalben nur an den Vorzügen des freien Welthandels (der Förderung des eigenen Exports), während die Nachteile (Verdrängung der einheimischen Wirtschaft durch Billigimporte) kaum Akzeptanz finden. Die Ehrlichen und Naiven sind bei diesem weltweiten Schummelwettbewerb die Dummen. Allen voran steht Deutschland, das an Blauäugigkeit im Gauben an internationale Fairneß kaum zu überbieten ist.

 

Die Tricks im „freien" Welthandel
Es gibt Dutzende Tricks, den freien Welthandel zu unterlaufen. Es soll genügen, einige hier aufzuführen.

Der Währungsdumping-Trick
(entspricht einem Zoll bis 1000 % - wirkt also genauso abschottend wie ein Zoll in dieser Höhe)
Die Lebenshaltungskosten betragen in vielen mit unserer Wirtschaft konkurrierenden Ländern nur ein Bruchteil unseres Niveaus. In China z. B. sind Wohnungen, Lebensmittel usw. um ca. 90 % billiger als hier. Gegenüber den osteuropäischen Staaten sind die Unterschiede nicht ganz so kraß, aber auch dort ist die Lebenshaltung um ein Vielfaches günstiger. Im Grunde sind die falschen Währungsparitäten nichts anderes als eine indirekte Zollschranke zur Abschottung der einheimischen Wirtschaft. Natürlich pochen diese Staaten scheinheilig auf den (zoll)freien Welthandel, weil sie ja wegen des Währungstricks Billigimporte kaum fürchten müssen.

Der Steuertrick
(Zollwirkung bis 100 %)
Wenn der Währungstrick nicht funktioniert - mit gezielten Steuergesetzen kann ein ähnlicher Schutz erzielt werden. Dänemarks Beschäftigungswunder etwa, immer wieder als Vorbild gepriesen, läßt sich kaum mit den dortigen Arbeitsprogrammen erklären. Dänemarks „Luxussteuer", die vornehmlich Importwaren betrifft (bei Autos z. B. ca. 100 %) und die hohe dänische Mehrwertsteuer dürften die eigentlichen Ursachen für die Erfolge sein, aber diese wirklich bedeutenden Faktoren bleiben meist unerwähnt.
Andere Staaten wiederum sind in der Lage, auf inländische Unternehmenssteuern fast gänzlich zu verzichten (z. B. wegen großer Erdölvorkommen usw.).

 

Der Ökodumping-Trick
(Zollwirkung bis
Lasche Ökogesetze ersparen hohe Investitionskosten und begünstigen natürlich die auflagenfreie ausländische Wirtschaft. Auch die extrem niedrigen Energiekosten (z. B. in den USA) bringen erhebliche Standortvorteile. Es ist der reine Hohn, daß die gewissenlosen Umweltsünder vom freien Weltmarkt faseln und auf den Abbau von ausgleichenden Zöllen bestehen.

Der Verwaltungstrick
(Zollwirkung bis 30 %)
Deregulierung ist das moderne Zauberwort, und was Deutschland betrifft, so besteht tatsächlich Handlungsbedarf beim Abbau von einengenden Vorschriften und Verfügungen. Trotzdem sind die nahezu gesetzlosen Zustände, wie sie in vielen anderen Staaten herrschen, natürlich auch nicht erstrebenswert. Auf Kosten der Allgemeinheit, der Sicherheit der Mitarbeiter usw. entstehen marktverzerrende Standortvorteile, die es eigentlich auszugleichen gilt (durch Zölle oder Steuern). Sonst besteht die Gefahr, daß sich die schlimmen gesetzlosen Zustände niemals ändern und sich sogar weltweit durchsetzen.
Die Erdbebenkatastrophe Mitte August in der Türkei zeigte wieder einmal deutlich, welche Folgen z. B. ungenügende Bauvorschriften und deren mangelhafte Kontrolle haben können.

Der Subventionstrick
(Zollwirkung bis 30 %)
Der offene Weltmarkt ist der Goldesel der Großkonzerne. Nicht nur, daß die Arbeit durch den internationalen Verdrängungswettbewerb immer billiger wird, die Großkonzerne können die einzelnen Staaten auch noch bei der Subventionierung ihrer Investitionen gegeneinander ausspielen. Beispiel BMW: Gute Gewinne, hohe Dividenden für die Aktionäre, aber trotzdem „erpreßt" man noch 500 Millionen DM zur Erhaltung des Rover-Werkes in England. Auf der einen Seite also massive Einsparungen bei den Ärmsten und Sozialabbau (in Großbritannien), auf der anderen Seite Milliardensummen zur Besänftigung der Großaktionäre.

Der Sozialdumpingtrick
(Zollwirkung bis 50 %)
Der zweifelhafte Erfolg der Globalisierungstheorie läßt sich am besten im Sozialbereich bewundern. Der weltweite Konkurrenzkampf zwingt zu ständigen Kürzungen und zum Abbau von Arbeitnehmerrechten. Staaten, die beim rigorosen Sozialdumping zögern, gelten als nicht reformfähig und haben das Nachsehen im weltweiten Verdrängungswettbewerb. Die Aktionäre reiben sich die Hände: Der ungezügelte Welthandel beschert ihnen Rekordgewinne und beschneidet langfristig alle Arbeitnehmer- und Menschenrechte.

Auflagentricks
(Zollwirkung unbegrenzt)
Dies war über Jahrzehnte Japans Erfolgsgeheimnis. Es gab viele Auflagen und Bestimmungen, die von der ausländischen Konkurrenz niemals nachvollzogen und eingehalten werden konnten. Nachdem Japan auf diesem Gebiet Zugeständnisse machen mußte, ist es mit dem großen Wirtschaftswunder dort auch vorbei. Viele andere Länder arbeiten aber immer noch mit solchen Tricks, hinzu kommen Landessitten, Bestechungen, Korruption usw., die ebenfalls der Abschottung dienen.

 

Deutsche Handikaps
Während fast alle Staaten durch indirekte Schutzmaßnahmen die Wareneinfuhr deutlich erschweren, beschreitet Deutschland den umgekehrten Weg. Unser Industriestandort wird zusätzlich belastet z. B. durch gigantische Subventionen in die EU-Kassen, teure Asylgesetze, Entwicklungshilfen usw. Allein die Nutzung (und Beschädigung) des deutschen Straßennetzes durch ausländische Schwerlaster kostet jährlich ca. 30 Milliarden DM (und einige Hundert Unfalltote). Würde der ausländische Fernverkehr angemessen zur Kasse gebeten, würde so ganz nebenbei auch unsere Umwelt entlastet und sich die Situation auf unseren Straßen entspannen.

 

Mehrung unseres Wohlstandes
Der Bevölkerung der westlichen Industrienationen wird immer noch eingeredet, der Globalismus diene der Mehrung ihres Wohlstandes. Dabei widerlegen die Zahlen eindeutig diese frechen Behauptungen. Trotz eines Wirtschaftswachstums von ca. 50 % in den letzten 20 Jahren hat es in der westlichen Welt kaum reale Lohnerhöhungen für Durchschnittsverdiener gegeben.

 

Förderung der Entwicklungsländer
Im Widerspruch zur Globalisierungstheorie wird das untere Drittel der Weltbevölkerung ärmer. Es ist sehr zweifelhaft, ob der freie Weltmarkt überhaupt jemals den Entwicklungsländern dient. Sicher scheint dagegen, daß mit anderen Mitteln (Marshallplan und Einfuhrzölle) weit mehr erreicht werden könnte.

 

Erst gleiche Bedingungen
Der totale Abbau der Zölle und Handelsschranken macht nur Sinn, wenn weltweit gleiche Gesetze und Bedingungen herrschen. Dann könnte tatsächlich von einem fairen, wachstumsfördernden Wettbewerb gesprochen werden. Aber von diesem Wunschtraum sind wir noch Lichtjahre entfernt, wir können den anderen Ländern unsere Öko- und Sozialstandards nun einmal nicht aufzwingen.

Wir können aber dafür sorgen, daß die Dumpingmethoden ins Leere laufen. Durch Steuergesetze oder Zölle können wir die abnormen Wettbewerbsverzerrungen ausgleichen und den heimlichen Schummeleien dadurch den Boden entziehen. Die „Bestrafung" der Dumpingmethoden würde die Arbeitsmärkte normalisieren und endlich einen wirklich fairen Weltmarkt schaffen. Das heute praktizierte Prinzip ist im Grunde irrsinnig: Je abartiger und effektiver die Dumpingmethoden, desto größer ist der wirtschaftliche Erfolg. Dieser Unfug muß ein Ende haben - vorbildliche Umwelt- und Sozialgesetze müssen belohnt, nicht aber wegrationalisiert werden.

 

Verkehrte Welt
Wie abartig sich die Globalisierung entwickelt, zeigt auch die jüngste Entscheidung der WHO: Die USA darf nun EU-Importe mit Strafzöllen belegen, weil die EU ihre Bürger vor genmanipulierten Nahrungsmitteln schützt.

 

Abblock-Argumente
Vehement versuchen interessierte Kreise, eine Diskussion über protektionistische Maßnahmen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sie erklären kurzerhand das Exportland Deutschland zum großen Nutznießer des freien Weltmarktes. Derlei Argumente scheinen bei näherer Betrachtung recht dreist, ignorieren sie doch die Kehrseite der Medaille, die riesigen Importströme. Würde der weltweite Tauschhandel zurückgehen und wieder mehr fürs Inland produziert, wo wäre das Problem? Die Wirtschaft wäre weniger abhängig von ausländischen Krisen und der ökonomisch und ökologisch oft so unsinnige Warentourismus würde eingedämmt.

Auch erweist sich die aufgesetzte Angst, unter einem nachlassendem internationalen Wettbewerbsdruck könnte die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft leiden, als weit hergeholt. In unserem Informationszeitalter ist eine Abkoppelung vom Weltniveau kaum noch möglich. Ein gerechter Welthandel könnte aber dazu führen, daß wir in bereits verlorenengegangen Branchen (wie z. B. der Kameraindustrie) wieder Fuß fassen.

 

Deutschland und die EU
Allenthalben hört man, Deutschland könne nicht im Alleingang handeln, sondern nur im europäischen Einklang. Wenn dem so ist, dann müssen wir uns wohl noch Jahrzehnte mit einer hohen Arbeitslosigkeit und wachsendem Sozial-, Öko- und Lohndumping abfinden. Denn ein erfolgversprechender Konsens ist in dieser EU mit seinen so unterschiedlichen Nationen, Mentalitäten und Kulturen, mit seiner Korruption, seinen mächtigen Lobbyisten und seinem Sprachenwirrwarr kaum hinzubekommen.

Aber ist es tatsächlich so, kann Deutschland kaum noch etwas allein bewerkstelligen? Haben wir keine wirkungsvolle Souveränität mehr über unsere Gesetze? Wann und wo ist das alles verlorengegangen? Auf wessen Veranlassung?

 

Ergebnisse der Leserbefragung:

Die Frage: „Halten Sie den freien Weltmarkt in seiner jetzigen Form für ungerecht und kontraproduktiv?"
Die Antworten: 81 % „ja", 12 % „nein", 7 % „ich weiß nicht"

Die Frage: „Wären protektionistische Maßnahmen als Ausgleich für die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen überlegenswert (dadurch würden deutsche Waren sich verbilligen, Importe sich teilweise verteuern)?"
Die Antworten: 68 % „ja", 12 % „nein", 20 % „ich weiß nicht"

Die Frage: „Sind Sie auch der Meinung, daß man die gravierenden Probleme wie Massenarbeitslosigkeit und Lohndumping nur mit Protektionismus oder wirkungsähnlichen Steuerreformen lösen könnte?"
Die Antworten: 60 % „ja", 28 % „nein", 12 % „ich weiß nicht"

 

 

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Achtung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

 

Ist der Begriff „Pseudodemokratie" im Falle Deutschlands zu schmeichelhaft? Eine überfällige Abrechnung!

 

 

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Impressum
© Dieser Text ist die Zusammenfassung einer Studie des unabhängigen, parteilosen Wirtschaftsanalysten und Publizisten Manfred J. Müller aus Flensburg
. Erstveröffentlichung im Oktober 1999

 


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